Initiative Bauhaus

Rückblick: New European Bauhaus Festival | Side-Event

Vom 4. bis 5. April 2024 fand das NEB Festival Side-Event in Altaussee statt. Die Veranstaltung „Touristische Baukultur – Motor nachhaltiger Entwicklung“ ging unter anderem der Frage nach, welche Form ein nachhaltiger Tourismus haben könnte. Als Rahmen diente dabei der leitmotivische Dreiklang des Neuen Europäischen Bauhaus Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion.

In seiner touristischen Baukultur materialisieren sich buchstäblich die Geschichte und Gegenwart des Tourismus in Österreich in all der Ambivalenz, die dem Tourismus als Wirtschaftsfaktor und gesellschaftlichem Phänomen innewohnt. Daher eröffnet die Auseinandersetzung mit dem Thema „touristische Baukultur“ ein breites Spektrum an Anschauungsmaterial und daraus gewonnenen Fragestellungen hinsichtlich der Herausforderungen, die sich für tourismus-geprägte Regionen mit Blick auf die auch im Tourismussektor anstehende sozialökologische Transformation künftig stellen.

Diese Auseinandersetzung erlaubt insbesondere auch das Ausloten der Gestaltungsmöglichkeiten, die entstehen, wenn touristisches Bauen und die mit ihm verbundenen Investitionspotenziale als Motor einer integral gedachten, nachhaltigen Entwicklung verstanden und betrieben wird. Konkreter: Wenn es sich programmatisch und konzertiert an dem ausrichtet, was heute im Lichte der Sustainable Development Goals formuliert und in Initiativen wie dem „Neuen Europäischen Bauhaus“ und seinen Leitprinzipien Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion bereits vielerorts pilothaft umgesetzt wird.

Das Salzkammergut ist reich an Beispielen für die Diversität und die sowohl ästhetische wie auch soziokulturell prägende Bedeutung touristischer Baukultur – vom „Kaiserlichen Bad Ischl“, den Sommerhäusern im Ausseerland, den im Zuge des zunehmenden Breitentourismus entstandenen Hotels und Apartmenthäusern bis hin zu den in jüngerer Zeit entstandenen Chaletdörfern, die mit neuen Formen der Parahotellerie verbunden sind.

Auch für „Salzkammergut 24“ stellt sich die Frage, welche Form und „Gesicht“ ein nachhaltiger Tourismus in Zukunft haben könnte und welche Entwicklung perspektivisch für alle Beteiligten wünschenswert wäre. Die Veranstaltung „Touristische Baukultur – Motor nachhaltiger Entwicklung“ sollte in diesem Zusammenhang der Frage nachgehen, welche Rolle touristische Baukultur bei dieser Entwicklung spielen kann. Als Rahmen diente dabei der leitmotivische Dreiklang des Neuen Europäischen Bauhaus Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion.

Anhand dieser Schwerpunkte wurde das Programm strukturiert und die drei Sessions orientierten sich an jeweils einem Schwerpunkt, wobei diese immer zusammen gedacht werden müssen. Klar ist aber auch, dass diese drei Schwerpunkte Konfliktpotenziale haben, die auch angesprochen werden.

RÜCKBLICK

Begrüßt wurde von:

  • Gerald Loitzl, Bürgermeister der Gemeinde Altaussee

  • Theodor Zillner (BMK) Gerhard Jagersberger (BMKÖS), Benjamin Stadler (BML), Ulrike Rauch-Keschmann (BMAW)

  • Christina Jaritsch, Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024

Der Start erfolgte mit einem Input von Jens Badura (die Angewandte), der das Thema umriss und vier thematische Achsen (reconnecting with nature, regaining a sense of belonging, prioritising the places and people that need it most, fostering long term, life cycle and integrated thinking) sowie drei zentrale Transformationsfelder (transformation of places on the ground, transformation of the environment that enables innovation, transformation of our perspectives and way of thinking) aufzeigte.

Als Themen nannte er:

  • Kultur der Zusammenschau
  • Klischeekompetenz
  • Relevanzorientierte Wert(e)schöpfung
  • Reflektierte Transformation statt trendgetriebener Innovation
  • Mut zur Mäßigung
  • Tourismus ist Machsal – nicht Schicksal
  • Touristische Baukultur ist Lebenswirklichkeitsgestaltung – kein Kulissenbau
  • Das Leitmotiv für touristische Baukultur sollte es sein, einen infrastrukturellen Beitrag für ein ‘Gutes Leben’ aller zu leisten

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Der 2. Input von Ulrike Rauch-Keschmann (BMAW) gab einen Überblick zu Zahlen und Fakten des Tourismus in Österreich. Der Tourismus hat mit direkter und indirekter Wertschöpfung einen etwa siebenprozentigen Anteil am nationalen BIP und nach dem enormen Covid19-Einbruch nun sowohl von der Zahl der Nächtigungen wie der Ankünfte als auch von den Beschäftigten etwa wieder das Vor-Krisenniveau erreicht. Die Spitzen liegen im Sommer und Winter, verteilen sich aber zunehmend besser übers Jahr. Wesentlich ist es zu beachten, dass die Gäste nicht nur für die Unterbringung und Essen, sondern auch für Transport, Kultur und weitere Produkte Geld ausgeben.

Mit dem Plan T – dem Masterplan Tourismus – werden alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit angesprochen und auf die sich verändernden Rahmenbedingungen eingegangen. Als Paradigmenwechsel wird darin nicht mehr ausschließlich auf den Gast eingegangen, sondern auch die Bedürfnisse der Unternehmen mit ihren Mitarbeiter:innen sowie der lokalen Bevölkerung Bezug genommen.
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In der ersten Session „ästhetisch gedacht“ gaben zwei Impulse Einblick in den gebauten Tourismus.

Doris Hallama, Architektin und Forscherin mit Standort Innsbruck sowie der Universität München, startete ihren Vortrag „Hütten und Paläste Touristische Baukultur in den Alpen“ mit einem Rückblick auf historische Tourismusarchitektur – oftmals sehr mondäne, städtische Gebäude in imposanter Alpenkulisse sowie Chalets, die eine spezielle alpine Bautradition begründeten.

Als einen Spezialfall ging sie auch auf alpine Schutzhütten ein. Diese könnten ein Modell für eine zukünftige Reduktion sein – denn schon lange werden nur mehr Ersatzbauten ausgeführt, aber keine Hütten an neuen Standorten mehr errichtet.

Mit Projektbeispielen aus Frankreich wurde auch ein diametral anderer touristischer Zugang – als „von oben“ organisierte Freizeitarchitektur – präsentiert. Dieser ist anders als die weitgehend kleinteilige, vielfach privat getragene österreichische Entwicklung, die in den vergangenen Jahrzehnten jedoch vielerorts zu Fehlentwicklungen, „Wucherungen“ geführt hat.

Bernd Paulowitz, vom Verein Welterbemanagement Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut, thematisierte in seinem Vortrag warum es ein Welterbe braucht und ging auf die touristische Entwicklung im Welterbe Salzkammergut ein. Grundsätze sind auch die Kulturerbevertäglichkeitsprüfungen, die analog zu den UVPs durchführt werden. Er hält fest, dass Welterbe und Denkmalschutz keine „Käseglocke“ sind, sondern einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und ebensolchem Tourismus liefern können. 


In der zweiten Session „gemeinsam geschnürt“ gaben zwei Impulse Einblick in die gesellschaftliche Verantwortung des Tourismus.

Ulrike Rauch-Keschmann gab vertiefenden Einblick in den Masterplan Tourismus, der sich in drei Zielkorridore sowie neun Handlungsfelder aufgliedert. Damit soll der Tourismus neu gedacht und das Bewusstsein gestärkt werden. Fotos verdeutlichten welche Entwicklungen gewünscht bzw. vermieden werden sollen. Sie machte darauf aufmerksam, dass in der medialen Wahrnehmung aktuell stärker auf die Schwierigkeiten fokussiert wird, die vom Ministerium seit vier Jahren erhobene Tourismusakzeptanz jedoch mit knapp 80% sehr hoch ist. Wenn sie auch etwas nach unten geht, darauf wird mit zahlreichen Maßnahmen zu reagieren versucht.
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Christof Isopp, Architekt, Mediator und Partner im Wiener Büro nonconform gab Einblick in die Arbeit für die Stärkung von Ortsentwicklungen. Er stellte fest, dass es bei der Einbindung von Bürger:innen in touristische Entwicklungsprozesse sowie von Touristitker:innen in Ortsentwicklungsprozesse „Luft nach oben“ gibt. Den durch Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte vielerorts entstandenen Leerstand, speziell in den Zentren, sieht er als Chance für zukünftige Nutzungen – sowohl in ästhetischer als auch ökologischer und sozialer Perspektive. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die rechtzeitige und richtige Einbindung der Bevölkerung. An den Beispielen Stadt Haag sowie Hinterstoder wurden mögliche Wege aufgezeigt.
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In der dritten Session „nachhaltig gemacht“ gaben zwei Impulse Einblick über touristische Baukultur als Motor nachhaltiger Entwicklung.

Mit dem ersten Vortrag ging es über die Grenze nach Südtirol und zwar nach Schlanders, wo der Verein Basis Vinschgau Venosta eine im Faschismus errichtete Kaserne als social innovation hub nachnutzt. Mit dem Ziel die regionale und gesellschaftliche Entwicklung in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Bildung und Soziales zu fördern. Das Projekt ist sehr breit und richtet sich mit einem vielfältigen Angebot sowohl an die lokale Bevölkerung als auch an Gäste. Aus dem dortigen siebenköpfigen Vorstand berichtet Hannes Götsch, primär für Strategie und Netzwerk zuständig, dass gerade im Vinschgau die Tourismuszahlen rückläufig sind und mit dem Projekt sowohl für Gäste als auch Einheimische ein ganz zentraler Kommunikationsort geschaffen werden konnte, an dem sich Urlaub, Arbeit und Gemeinschaft treffen.
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Der letzte Vortrag von Friedrich Idam und Günther Kain aus Hallstatt über „Simple Smart Buildings als Zukunftsstrategie“ lotete das Potential im baukulturellen Erbe aus und verdeutlichte welche Wichtigkeit, Identität und Authentizität lokale Baukultur besitzen. Es wurde über regionale Bautraditionen und deren Wiederbelebung erzählt und verdeutlicht, welches Potenzial darin steckt. Offen bleibt, wie damit auf den gerade in Hallstatt stattfindenden „Over-Tourism“ reagiert werden kann.
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In der abschließenden Podiumsdiskussion reflektierten Daniel Resch, Landeskonservator OÖ, Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs, Interventa 2024, Pamela Binder, Tourismusverband Ausseerland Salzkammergut sowie Karoline Mayer, Architekturzentrum Wien, Kuratorin „Über Tourismus“ die Themen der Vorträge sowie weitere Aspekte.

Es wird deutlich, dass der Dialog zwischen Baukultur und Tourismus jedenfalls gestärkt werden muss. Ein wesentlicher Aspekt ist, wie eine wohl notwendige Reduktion (an Mobilität, Ressourcenverbrauch etc.) positiv konnotiert werden kann und welches Wachstum in Zukunft sinnvoll ist.


Ein Projekt im Rahmen der Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024.

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